5. Jahrestagung der WFKT

VORTRAG: Zur Evidenz der Kunst

Prof. Dr. Judith Siegmund

Der Begriff der Evidenz gewinnt seine Bedeutung in der Ästhetik und Kunstphilosophie im 18. Jahrhundert. In ihm verbinden sich die Objektivität von etwas, das evident wird, mit der Subjektivität eines inneren Erlebens im Moment, in dem dieses Etwas einleuchtet. Mit seiner Lichtmetaphorik gehört Evidenz zunächst zur Aufklärung. Im Zuge einer zunehmenden Beachtung der Urteils- und Wahrnehmungstheorie von Immanuel Kant wird aber ‚Evidenz’ am Ende des 18. Jahrhunderts diskreditiert, denn sie ist nicht mehr vereinbar mit einer strikten Trennung, die Kant zwischen ästhetischem Urteil, moralischer Handlung und Erkenntnisprozessen vornimmt.

Im 20./21. Jahrhundert wird der Gedanke, künstlerisches Handeln und Wirken, sei in der Lage, etwas ‚auf den Punkt zu bringen’, im Rahmen von praxeologischem Denken der Künste wieder interessant, insbesondere auch im Zusammenhang mit künstlerischem Forschen als auch im Zuge dekolonialer und queerfeminstischer Bewegungen in den Künsten selbst. Kann Evidenz (im nichtmedizinischen Sinne) auch in der Kunsttherapie an Bedeutung gewinnen?

Prof. Dr. phil. Judith Siegmund – Philosophin und bildende Künstlerin, ist Professorin für philosophische Ästhetik an der Zürcher Hochschule der Künste. Zuvor hatte sie die Professur für Gegenwartsästhetik an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart inne, wo Sie mit anderen zusammen den »Campus Gegenwart« sowie den Masterstudiengang »Theorie und Praxis experimenteller Performance« aufgebaut hat. Zuletzt veröffentlichte Sie das Handbuch Kunstphilosophie (Utb 2022), in dem der Beitrag zur „Evidenz“ von Rüdiger Campe verfasst worden ist.