Prätagung der 8. Jahrestagung der WFKT

VORTRAG: Spielräume nach dem Zwang – Theatertherapie als Aufarbeitungsform psychiatrischer Zwangsmaßnahmen 

Clara Wächter

Hintergrund: Zwangsmaßnahmen in der psychiatrischen Versorgung stellen gravierende Eingriffe in die Autonomie von Patientinnen dar, und sind häufig mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden. Betroffene berichten unter anderem von Gefühlen der Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verzweiflung, Auch findet sich bei Betroffenen ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer posttraumatische Belastungsstörung wieder. Zudem wirken sich Zwangsmaßnahmen nachweislich negativ auf die therapeutische Beziehung und den weiteren Behandlungsverlauf aus. Trotz dieser Erkenntnisse existieren bislang nur wenige spezifische therapeutische Angebote zur Nachsorge und Verarbeitung solcher Erfahrungen.
Ziele: Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines theatertherapeutischen Konzepts zur Bearbeitung von Zwangsmaßnahmenerleben in der Psychiatrie. Im Fokus stehen die Förderung von Selbstwirksamkeit, die Verarbeitung von Ohnmachtserfahrungen sowie die Ermöglichung korrigierender Beziehungserfahrungen. Methoden: Die Konzeptentwicklung erfolgte auf Basis einer qualitativen Literaturanalyse zu bestehenden theatertherapeutischen Verfahren. Zentral berücksichtigt wurden die Ansätze Developmental Transformations (DvT), die traumasensible Theatertherapie sowie das Theater der Unterdrückten (TdU) nach Augusto Boal. Die einzelnen Elemente wurden im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit im Kontext psychiatrischer Nachsorge geprüft und zu einem integrativen Interventionsmodell zusammengeführt. Ergebnisse: Das entwickelte Konzept bietet einen methodisch fundierten Rahmen zur theatertherapeutischen Aufarbeitung von Zwangsmaßnahmen. Es ermöglicht einen gestalterischen Zugang zu belastenden Erfahrungen, fördert Ressourcenaktivierung, unterstützt die Reorganisation traumatischer Erlebnisse und eröffnet korrigierende Erfahrungen zwischen Patientinnen und Therapeut*in und somit auch stellvertretend dem psychiatrischen Hilfe- und Gesundheitssystem.
Diskussion: Die Ergebnisse legen nahe, dass theatertherapeutische Verfahren eine wirksame Ergänzung bestehender psychotherapeutischer Ansätze darstellen können. Das Konzept eröffnet innovative Zugänge zur Nachsorge von Zwangsmaßnahmen und bietet Anknüpfungspunkte für weiterführende Forschung in einem bislang wenig erschlossenen Feld der Theatertherapie.

Clara Wächter hat dieses Jahr ihren Abschluss in Theatertherapie in Nürtingen absolviert. Schon als Kind und Jugendliche begeisterte sie sich für das Theater und konnte selbst die heilenden Potenziale des Theaters erfahren. Mittlerweile arbeitet sie als Theatertherapeutin in einer jugendpsychiatrischen Einrichtung und gestaltet neben ihrer Tätigkeit weitere theatertherapeutische Projekte.

clara-waechter@web.de